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Streit um neues Ladenschlussgesetz in Bayern
MÜNCHEN. Die bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf (CSU), will den Ladenschluss in Bayern reformieren. Es soll, wie sie der Augsburger Allgemeinen sagte, im Freistaat mehr Shoppingnächte, durchgehend geöffnete Smart Stores und viele Detailänderungen beim Sonntagsschutz geben. Doch CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek betrachtet das Vorhaben skeptisch. Nach dem legendären Ladenschluss-Patt von 2006 bahnt sich wieder Streit um das alte Thema an.
Ladenschluss um 20 Uhr – aber viele neue Ausnahmen
„Wir wollen beim Ladenschluss weitere lange Einkaufsnächte sowie den durchgehenden Betrieb von digitalen Kleinstsupermärkten als neue Form der Nahversorgung ermöglichen“, so kündigten es CSU und Freie Wähler im letzten Jahr in ihrem Koalitionsvertrag an. Nun soll daraus ein Gesetz werden. Der Augsburger Allgemeinen sagte Arbeitsministerin Scharf am 5. März, wie sie sich den Ladenschluss künftig ungefähr vorstellt. Die bisher laut Bundesladenschlussgesetz gültigen Öffnungszeiten – Montag bis Samstag, 6 bis 20 Uhr – sollen beibehalten werden. Allerdings soll es darüber hinaus vier Shoppingnächte pro Jahr und Kommune geben („Eventabende“), ohne Anlass oder räumliche Beschränkung.
Außerdem möchte die Ministerin den durchgehenden Betrieb von teilautomatisierten Smart Stores („Digitalen Kleinstsupermärkten“) in einem neuen Ladenschlussgesetz verankern, zumindest an den Werktagen, vielleicht aber auch an den Sonn- und Feiertagen. Und nicht zuletzt schweben Ulrike Scharf Vereinfachungen beim Sonntagsschutz vor, etwa bei den Sonderregelungen für bestimmte Waren, bei bestimmten Veranstaltungen, für Kur- und Tourismusorte. Konkreter wird sie nicht, aber man muss davon ausgehen, dass „Vereinfachungen“ mehr Ausnahmen für zusätzliche Sonntagsarbeit bedeuten.
Vage Ankündigungen, jede Menge Streit
Wird es in Bayern nun bald also viel mehr Shopping in dunkler Nacht und am Sonntag geben? Die Ankündigungen der Ministerin bleiben im Detail noch vage, insbesondere was die angekündigten „Vereinfachungen“ angeht. Sicher ist aber, dass der Vorstoß jede Menge politischen Streit verursachen kann.
So stößt die CSU-Ministerin bereits auf Skepsis in der CSU-Fraktion. Der Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek sagte dem Bayerischen Rundfunk, er wolle nichts überstürzen und erstmal in der Fraktion diskutieren, ob es überhaupt ein Gesetz brauche. Er machte deutlich, dass er den Sonn- und Feiertagsschutz so belassen will, wie er ist. In der CSU-Fraktion gab es bereits im Jahr 2006, beim letzten Versuch, ein eigenes bayerisches Ladenöffnungsgesetz zu beschließen, heftige Kontroversen und am Ende eine Patt-Abstimmung von 51 zu 51.
Die Minister Aiwanger und Scharf unterschrieben einst den „Sonntagskontrakt“
Den mitregierenden Freien Wählern wiederum gehen die angekündigten Liberalisierungen nicht weit genug. Sie wollen mehr als vier Shoppingnächte und in jedem Fall die 24/7‑Öffnungen der Smart Stores inklusive Sonn- und Feiertage. Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger macht sich hierfür besonders stark. Dass in den Smart Stores auch sonn- und feiertags Minijobber mindestens kurzzeitig eingesetzt werden, wie in der Praxis zu beobachten ist, und Gerichte in anderen Bundesländern die Sonntagsöffnungen der digitalen Märkte bereits unterbinden, stört ihn scheinbar nicht. Dabei hatte sich Hubert Aiwanger vor Jahren als Landtagsabgeordneter, genau wie seine heutige Kabinettskollegin Ulrike Scharf, gegenüber der bayerischen Sonntagsallianz noch in einem „Sonntagskontrakt“ verpflichtet, sich für die „Eindämmung verkaufsoffener Sonntage“ einzusetzen.
Handelsbeschäftigte, ver.di und kirchliche Organisationen fordern Sonntagsschutz und freien Feierabend
Gegen die Pläne der Regierung formiert sich auch schon der Protest der Beschäftigten, wie der Bayerische Rundfunk berichtete. Sie beklagen die ohnehin schon familienunfreundlichen Arbeitszeiten im Handel, die neben der schlechten Bezahlung eine große Belastung seien. Wer bis spätabends im Geschäft stehe, könne beispielsweise nicht einmal mehr mit den eigenen Kindern zu Abend essen. Außerdem sei eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten schon aufgrund des Personalmangels gar nicht zu stemmen.
Hubert Thiermeyer, Fachbereichsleiter Handel der Gewerkschaft ver.di sagte in der Augsburger Allgemeinen: „In den bisherigen Verlautbarungen sehen wir einen klaren Angriff auf den Schutz des freien Sonntags und auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten.“ Ähnlich äußerten sich kirchliche Vertreter*innen der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), der Betriebsseelsorge und des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt der evangelischen Kirche (kda): „Wieder geht es gegen die Beschäftigten im Einzelhandel. Dagegen verwehren wir uns. Sonn- und Feiertage sind grundgesetzlich geschützt und wichtig für uns alle. Die Wirtschaft, der Handel sind für den Menschen da und nicht der Mensch für die Wirtschaft oder den Handel! Wir werden uns weiterhin für Sonntags- und Feierabendschutz entschieden einsetzen.“, sagt Christian Bindl von der Katholischen Betriebsseelsorge.
Eine klare Haltung gibt es auch zum Sonntagsbetrieb der Smart Stores, der heute bereits in Bayern üblich ist, obwohl er in anderen Bundesländern wie Hessen aus verfassungsrechtlichen Gründen verboten wurde. „Der Schutz der Sonntagsruhe muss auch für digitale Supermärkte gelten“, fordert auch Ute Meier, Sprecherin des kda in der Sonntagsallianz Bayern.
Zwei Drittel der Menschen wollen laut Befragung gar keine längeren Öffnungszeiten in Bayern
Wozu das alles?, könnte man fragen. Denn die bayerische Bevölkerung scheint größtenteils gar kein dringendes Verlangen nach längeren Öffnungszeiten zu haben. Laut einer Online-Umfrage von InFranken.de sagten 68 Prozent der Befragten, die jetzigen Öffnungszeiten reichten völlig aus.
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