Foto: Der Journalistenrat

Stadtplanerische Sünden auf 680 Metern

Können Sonntagsverkäufe die Städte beleben?

Wer die Forde­rung nach Laden­öff­nungen an Sonn­tagen verstehen will, sollte eine der bundes­weit (noch) am stärksten frequen­tierten Fußgän­ger­zonen besich­tigen — am besten natür­lich an einem Sonntag.

Sonn­tags­al­lianz 12.03.2023 — Einst galt die Hohe Straße in Köln als Aushän­ge­schild für gren­zen­loses Shop­ping­er­lebnis. Altein­ge­ses­sene Einzel­händler mit Tradi­tion. Hand­werks­be­triebe für Repa­ra­turen und Dienst­leis­tungen aller Art. Cafés und Restau­rants auch für den schma­leren Geld­beutel. Doch diese Zeiten sind dank  völlig fehlender Gestal­tungs­kon­zepte und in Zeiten des Online- und Outlet­han­dels vorbei. Heute domi­nieren die Hohe Strasse Ramsch­läden, Fast Food Buden und große Handels­ketten, die ihre Geschäfte auf Fran­chise-Art managen. Nur so sind über­haupt die horrenden Mieten möglich, die die Eigen­tümer den Mietern abknöpfen.

Kommerz wich­tiger als Kultur und Lebensqualität

Während sogar schon die örtli­chen Wirt­schafts­ver­bände wie die IHK fertige Konzepte für eine stär­kere Bele­bung der Innen­stadt vorge­legt haben — klei­nere Laden­flä­chen, mehr Dienst­leis­tung, bürger­nahe Service­an­ge­bote, Inseln zum Ausruhen — zeigt sich an einem Sonntag die gesamte Misere einer fort­dau­ernden, maßlos igno­ranten Stadt­pla­nung bis in´s Detail: Statt Möglich­keiten zum Verweilen sollen die Besu­cher während der Woche möglichst lange in den Läden verschwinden und zügig durch­ge­schleust werden  — hin zur nächsten Fußgän­ger­zone, der Schil­der­gasse. Keine Bank, kein Mäuer­chen, kein Blumen­kübel mit wenigs­tens stad­luft­festem Coto­ne­as­terg­s­trüpp, die zum Ausruhen oder Inner­halten einladen — sie würden die Besu­cher­ströme und Kunden­fre­quenz  behin­dern.  Statt altein­ge­ses­senen Einzel­händ­lern, die das Image der Stadt prägten, mit Miet­zu­schüssen unter die Arme zu greifen, lassen es Rat und Verwal­tung voll­kommen an der Bewah­rung von Tradi­tionen missen. Auch für die Wieder­be­le­bung der 1966 instal­lierten welt­be­rühmten kine­ti­schen Plastik von Otto Piene am ehema­ligen Worm­land Haus. Bisher gab es verschie­dene Bemü­hungen, u. a. von der ehema­ligen Dombau­meis­terin Prof. Dr. Barbara Schock-Werner (Regio­nal­ver­band Köln des Rhei­ni­schen Vereins für Denk­mal­pflege und Land­schafts­schutz), das Kunst­werk Pienes seiner Bedeu­tung entspre­chend wieder in Gang zu setzen und ins öffent­liche Bewusst­sein der eins­tigen Kunst­me­tro­pole Köln zurück­zu­holen. Doch seit die Worm­land-Stif­tung das seit 2015 unter Denk­mal­schutz stehende Gebäude veräu­ßert hat, weht ein neuer Wind aus Berlin: Der neue Eigen­tümer, ein Investor aus der Haupt­stadt, hat seinen Fokus auf Rendite. Kunst und Denk­mal­schutz verhin­dern aus seiner Sicht bisher die gewünschte Büro­nut­zung – mangels Fens­ter­flä­chen. So lässt er das Haus vorerst leer stehen. Die Ober­ge­schosse sind mitt­ler­weile in einem schlechten Zustand. Es ist leider zu befürchten, dass das Haus so verkommt, dass ein Abbruch nicht mehr ausge­schlossen werden kann, kriti­siert der Deut­sche Verband für Kunst­ge­schichte. Und die Stadt? Schaut zu!

So ist die klas­si­sche Fuss­gän­ger­zone trotz aller blumigen Beteue­rungen der Stadt­bü­ro­kratie in Köln wie auch ander­er­orts heute da ange­kommen, was sie schon immer war: nicht ein Stück Lebens­qua­lität für die Bürger, sondern einzig ein Geschäft für Wirt­schaft und Stadtverwaltung.

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