Stellungnahme der Europäischen Sonntagsallianz zum Initiativbericht des Europäischen Parlaments zum Recht auf Nichterreichbarkeit

 

In Zeiten der zunehmenden Entgrenzung der Arbeit: Die Chancen für ein europäisches “Recht auf Abschalten”

Der Lenkungsausschuss der Europäischen Sonntagsallianz hat eine Stellungnahme zum Initiativbericht des Europäischen Parlaments zum Recht auf Nichterreichbarkeit veröffentlicht. Wir haben diese Stellungnahme im Folgenden aus dem Englischen übersetzt, um auch hier über diesen politischen Prozess zu informieren.
 

Die Pandemie hat bestehende Heraus­for­de­rungen der Digi­ta­li­sie­rung im Arbeits­leben, wie die Inten­si­vie­rung der Arbeit und die Verlän­ge­rung der Arbeits­zeiten, beschleu­nigt. Zudem berührt sie tief­grei­fend die Frage des Sonn­tags­schutzes. Den meisten von uns dürfte klar geworden sein: Arbeit ist zuneh­mend zeit­lich und örtlich unge­bunden. Der Euro­pa­ab­ge­ord­nete Alex Agius Saliba (S&D/Malta) hat im Juli 2020 im Ausschuss für Beschäf­ti­gung und soziale Ange­le­gen­heiten (EMPL-Ausschuss) des Euro­päi­schen Parla­ments einen legis­la­tiven Initia­tiv­be­richt über ein EU-weites Recht auf Entkopp­lung vorge­legt, um die Heraus­for­de­rung der verschwim­menden Grenzen zwischen Arbeit und Privat­leben in Europa anzu­gehen. Der Bericht enthält Empfeh­lungen für einen Rechtsakt und fordert die Euro­päi­sche Kommis­sion auf, einen Geset­zes­vor­schlag zum Recht auf Abschalten vorzulegen.

Die Euro­päi­sche Sonn­tags­al­lianz unter­stützt den Bericht des Euro­päi­schen Parla­ments und vertraut darauf, dass die Euro­päi­sche Kommis­sion bald einen Vorschlag für eine Richt­linie zum Recht auf Abschalten vorlegen wird, die einen gemein­samen Ruhetag in den Mitglieds­staaten befür­wortet: Unab­hängig davon, ob ein Vorschlag den Sonn­tags­schutz umfasst, bietet er mehr denn je die Chance, Entwick­lungen der zuneh­menden Entgren­zung der Arbeit zu stoppen und macht es aus unserer Sicht unum­gäng­lich, dass der Gesetz­geber über die Frage nach­denkt, welchen Stel­len­wert wir dem Sonn­tags­schutz geben wollen.

Dem Bericht war eine Stel­lung­nahme des Forschungs­dienstes des Euro­päi­schen Parla­ments voraus­ge­gangen. In seiner Kurz­stel­lung­nahme im Sommer 2020 vertrat der Forschungs­dienst die Auffas­sung, dass die Einfüh­rung eines solchen Rechts recht­lich ange­messen wäre. Der Forschungs­dienst erin­nerte daran, dass der Euro­päi­sche Gerichtshof 2018 in der Rechts­sache C‑518/15 entschieden hatte, dass die Bereit­schafts­zeit eines Arbeit­neh­mers, der verpflichtet ist, inner­halb einer kurzen Zeit­spanne zu Hause auf Anrufe des Arbeit­ge­bers zu reagieren, als “Arbeits­zeit” anzu­sehen ist, und darüber hinaus hatte derselbe Gerichtshof 2019 in der Rechts­sache C‑55/18 entschieden, dass die Mitglied­staaten die Arbeit­geber verpflichten müssen, ein System einzu­richten, das die Messung der Dauer der tägli­chen Arbeits­zeit ermög­licht. Darüber hinaus wurden in der Stel­lung­nahme des Forschungs­dienstes Beispiele aus der natio­nalen Praxis genannt: Die fran­zö­si­sche “Cour de Cassa­tion”, das höchste ordent­liche Gericht in Frank­reich, verur­teilte 2018 das briti­sche Reini­gungs­un­ter­nehmen “Rentokil Initial” dazu, einem Arbeit­nehmer eine Vergü­tung zu zahlen, weil dieser nonstop zur Verfü­gung stehen musste. Das Gericht erkannte damit ein vertrag­li­ches “droit à la décon­ne­xion” an. Der fran­zö­si­sche Gesetz­geber reagierte schnell und führte den Artikel L.2242–17 in den “Code du travail” ein.

Nach Angaben des Forschungs­dienstes gibt es in anderen Mitglieds­staaten keine spezi­fi­sche Gesetz­ge­bung für ein Recht auf Abschal­tung, aber einige Arbeit­geber, z. B. in Deutsch­land, haben frei­willig Einschrän­kungen der Erreich­bar­keit außer­halb der Arbeits­zeit einge­führt, so dass euro­pa­weit verbind­liche Stan­dards wünschens­wert wären. In seinem Initia­tiv­be­richt schlägt der Bericht­erstatter MdEP Agius Saliba daher die Verab­schie­dung einer neuen Richt­linie vor, die einen gemein­samen Maßstab für alle Mitglieds­staaten setzt. Sie sollte die Mitglieds­staaten auf das Ziel verpflichten, eine verläss­liche Arbeits­zeit­er­fas­sung zu gewähr­leisten und damit ein einklag­bares Recht auf Abschal­tung sicher­zu­stellen. Dies sollte prak­ti­sche Moda­li­täten für das Abschalten von digi­talen Arbeits­mit­teln, einschließ­lich aller Über­wa­chungs- und Kontroll­in­stru­mente, beinhalten.

Aus unserer Sicht als Euro­päi­sche Sonn­tags­al­lianz haben sich die Heraus­for­de­rungen der digi­talen Trans­for­ma­tion im Zuge der COVID-19-Pandemie beschleu­nigt und auch den Sonntag als etablierten gemein­samen Ruhetag in den Mitglieds­staaten betroffen. Daher haben wir gegen­über den Entschei­dungs­trä­gern im Euro­päi­schen Parla­ment nach­drück­lich darauf hinge­wiesen, dass ein Recht auf Unter­bre­chung der Arbeit eine wöchent­liche Ruhe­zeit beinhalten sollte, die so weit wie möglich mit dem Tag zusam­men­fällt, der in dem betref­fenden Land oder der betref­fenden Region tradi­tio­nell oder gewohn­heits­mäßig als Ruhetag aner­kannt ist. Konkret haben wir dafür plädiert, ein Recht auf Unter­bre­chung der Arbeit mit Artikel 2 der revi­dierten Euro­päi­schen Sozi­al­charta vom 3. Mai 1996 über das Recht auf gerechte Arbeits­be­din­gungen in Einklang zu bringen, der bereits dies­be­züg­liche Bestim­mungen enthält. Trotz kontro­verser Diskus­sionen im Ausschuss des Euro­päi­schen Parla­ments (wegen mögli­cher büro­kra­ti­scher Belas­tungen für Arbeit­geber und der Gefahr von Über­schnei­dungen mit bestehenden Rechts­akten auf natio­naler Ebene) einigten sich die Ausschuss­mit­glieder im Dezember 2020 auf einen Bericht, den das Plenum leicht modi­fi­ziert im Januar 2021 annahm. Als Ergebnis unserer Advo­cacy-Akti­vi­täten enthält der schließ­lich ange­nom­mene Text wesent­liche Teile unserer Prio­ri­täten und verbes­sert die Chancen für einen spezi­fi­scheren Schutz des arbeits­freien Sonn­tags in einem zukünf­tigen Gesetzesvorschlag.

Die Euro­päi­sche Sonn­tags­al­lianz unter­stützt den Bericht des Euro­päi­schen Parla­ments und vertraut darauf, dass die Euro­päi­sche Kommis­sion bald einen Vorschlag für eine Richt­linie über das Recht auf Unter­bre­chung der Arbeit vorlegen wird, die einen gemein­samen Ruhetag in den Mitglieds­staaten unter­stützt: Unab­hängig davon, ob ein Vorschlag den Sonn­tags­schutz umfasst, bietet er mehr denn je die Chance, Entwick­lungen der zuneh­menden Entgren­zung der Arbeit zu stoppen und macht es aus unserer Sicht unum­gäng­lich, dass der Gesetz­geber über die Frage nach­denkt, welchen Stel­len­wert wir dem Sonn­tags­schutz geben wollen.”

Über­setzt mit www.DeepL.com/Translator 

Quelle: http://www.europeansundayalliance.eu/site/newsevents/breakingnews/article/239.html

 

Die Euro­päi­sche Sonn­tags­al­lianz ist ein Netz­werk aus natio­nalen Sonn­tags­al­li­anzen, Gewerk­schaften, zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tionen und Reli­gi­ons­ge­mein­schaften, das sich dafür einsetzt, das Bewusst­sein für den einzig­ar­tigen Wert der synchro­ni­sierten freien Zeit für unsere euro­päi­schen Gesell­schaften zu schärfen. Der Sonntag und, allge­meiner, menschen­wür­dige Arbeits­zeiten stehen im Mittel­punkt der Kampa­gnen. In seiner  Grün­dungs­er­klä­rung macht die Allianz auf Aspekte der Verein­bar­keit von Leben und Arbeit und des sozialen Zusam­men­halts aufmerksam, die davon abhängen, dass die über­wie­gende Mehr­heit der Menschen zur glei­chen Zeit ihre gesetz­lich fest­ge­legte Frei­zeit hat. 

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