Foto: Sonn­tags­al­lianz

Feiertage in Gefahr! 

Der blinde Fleck der Arbeitszeitdebatte

 

Landes­al­li­anzen für den freien Sonntag ziehen zum Tag der Arbeit im Jahr 2024 gemischte Bilanz: 30 Jahre nach Inkraft­treten des Arbeits­zeit­ge­setzes und der Strei­chung des Buß- und Bettags 1994 stehen erneut Feier­tage auf der Kippe. Die Alli­anzen konsta­tieren massive Rück­schritte in der Debatte um das Verhältnis von Arbeits- und Lebenszeit.

Länger und mehr arbeiten – Finanz­mi­nister Chris­tian Lindner sieht nicht etwa fehlende öffent­liche Inves­ti­tionen, sondern mangelnde Arbeits­leis­tung als Problem der deut­schen Wirt­schaft. Passend dazu werden alte Rezepte wieder aufge­wärmt: Die Verlän­ge­rung der Arbeits­zeit soll private Inves­ti­tionen rentabel machen und nebenbei die Jahr­hun­dert­krisen lösen. Ob das Gemein­wohl auf diesem Weg profi­tiert, darf bezwei­felt werden. Einer der blinden Flecken der Diskus­sion: bei diesem Kurs sind auch unsere Feier­tage in Gefahr!

Gibt es neue ‚Bußtags­opfer‘ zur Verlän­ge­rung der Arbeitszeit?!

Die Verlän­ge­rung der Arbeits­zeit kann auch durch die Strei­chung von Feier­tagen erreicht werden. Tatsäch­lich gibt es Über­le­gungen dazu: Anlass für die Sorgen der Sonn­tags­al­li­anzen sind Äusse­rungen wie etwa des Ökonomen und Direk­tors der Deut­schen Gesell­schaft für Auswär­tige Politik, Guntram Wolff. Dieser hatte im November letzten Jahres gefor­dert, drin­gende Inves­ti­tionen bei ange­zo­gener „Schul­den­bremse“ doch kurzer­hand durch Strei­chung zweier Feier­tage zu finanzieren.

Als vermeint­li­ches Posi­tiv­bei­spiel hatte Wolff die Abschaf­fung des Buß- und Bettages 1994 ange­führt. Ein solches Vorgehen könne als „effek­tive Erhö­hung der Arbeits­zeit“ zusätz­liche Staats­ein­nahmen bedeuten, so der Ökonom vage. Diese Über­le­gungen stoßen auf den entschie­denen Wider­spruch der Alli­anzen für den freien Sonntag.

Keine Krisen­be­wäl­ti­gung auf dem Rücken der Beschäf­tigten!”

Die angeb­li­chen Wett­be­werbs­nach­teile der deut­schen Wirt­schaft sind eine Mär, um eine zuneh­mend selbst­be­wusste Arbeit­neh­mer­schaft einzu­schüch­tern. Wir sagen daher: Keine weiterenBußtags­opfer‘ zur Verlän­ge­rung der Arbeits­zeit! Weniger Lebens­qua­lität zumNach­teil der Mehr­heit kann nicht das Ziel sein.“

Die mittel­deut­schen Sonn­tags­al­li­anzen in Thüringen und Sachsen-Anhalt fordern deshalb zum Tag der Arbeit die Politik auf, sich klar und eindeutig zu Sonn- und Feier­tagen zu bekennen. Die histo­risch-kultu­relle Veran­ke­rung und die Gewähr­leis­tung gesamt­ge­sell­schaft­li­cher Werk- und Ruhe­tage stehen über dem Marktprinzip.

 

30 Jahre deutsches Arbeitszeitgesetz samt Feiertagsschutz von 1994

Aber eben auch 30 Jahre Strei­chung des Buß- und Bettages. Die seit Jahr­zehnten wach­sende Ungleich­ver­tei­lung von Einkommen und Vermögen zeigt, dass Mehr­ar­beit nicht den Arbei­tenden, sondern wenigen Eigen­tü­mern und sehr Vermö­genden zugu­te­kommt. Fach­kräf­te­mangel, Kran­ken­haus- und Pfle­ge­not­stand und die zuneh­mende Arbeits­ver­dich­tung werden durch Mehr­ar­beit der bereits ¸berlas­teten Arbeits­kräfte verschärft statt gelöst!“

Die aktu­elle Arbeits­zeit­de­batte nehme absurde Züge an, so die Alli­anzen weiter. Arbeit­ge­ber­prä­si­dent Rainer Dulger meint: „Die Arbeits­zeit in Deutsch­land ist zu niedrig. Das ist ein Problem für den gesamten Wirt­schafts­standort.“ Finanz­mi­nister Chris­tian Lindner behauptet gar: „Anderswo wird deut­lich mehr gear­beitet“. DGB-Chefin Yasmin Fahimi hält mit Fakten dagegen: „Im vergan­genen Jahr wurden in Deutsch­land mehr als 1,3 Milli­arden Über­stunden geleistet, weit mehr als die Hälfte davon war unbezahlt.“

Björn Höcke würde Feier­tage verkaufen!“

Dieser Zwischenruf auf der 10. Thüringer Arbeits­kon­fe­renz weist schlag­licht­artig auf die wach­sende Gefahr für Arbeits­schutz und Gesund­heit „vor der eigenen Haustür“ hin: Tatsäch­lich hatte Höcke 2018 gegen den Welt­kin­dertag in Thüringen „maßlos über­trieben“ mit diffusen Verlust­ängsten Stim­mung gemacht: „600 Millionen weniger Wirt­schafts­leis­tung durch einen weiteren Feiertag in Thüringen. 600 Millionen!“ Arbeits­ruhe und „seeli­sche Erhe­bung“, wie es im Grund­ge­setz und im Arbeits­zeit­ge­setz zum Schutz von Arbeit­neh­mern steht, sind dem Thüringer AfD-Vorsit­zenden offenbar weit weniger wichtig als verord­nete Mehr­ar­beit und eindrucks­volle Geldwerte.

Hinter­grund:

Die EAT führt in Koope­ra­tion mit den Alli­anzen für den freien Sonntag in Sachsen-Anhalt und Thüringen die jähr­liche Thüringer Arbeits­zeit­kon­fe­renz durch. Die Allianz für den freien Sonntag in Thüringen gibt es seit 2012, Mitglieder sind der Kirch­liche Dienst in der Arbeits­welt der Evan­ge­li­schen Kirche in Mittel­deutsch­land (KDA EKM), die Katho­li­sche Arbeit­neh­mer­be­we­gung (KAB), der DGB Hessen-Thüringen, die Gewerk­schaft NGG, die IG Metall sowie ver.di.

Pres­se­mit­tei­lung der Sonn­tags­al­li­anzen Thrüngen und Sachsen-Anhalt

 

Weitere Infor­ma­tionen: www.allianz-fuer-den-freien-sonntag.de

 

 

 

 

 

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