Vor 220 Jahren vorgestellt — die Batterie

Foto John Cameron / Unsplash

 

 

Zeit zum Aufladen 

Heute ist Sonntag, der 7. November

 

 

 

Seine Erfindung läutete eine Revolution ein. Als heute vor genau 220 Jahren Alessandro Volta die erste Batterie der Öffentlichkeit vorstellte, hat niemand geahnt, welche gesellschaftlichen Auswirkungen diese Erfindung nach sich zieht. Etwas “aufzuladen” findet sich heute auch in vielen anderen technischen, wirtschaftlichen, ökolgogischen wie auch sozialen Zusammenhängen. In den modernen Serverfarmen, in die unsere Daten hochgeladen werden. In der kapitalistischen Wirtschaftsweise, die Konsumenten mit oft überflüssigen Bedürfnissen auf- und beläd. In der Umwelt, wo das Klima aufgeheizt — aufgeladen — und unser Wohnstandsmüll irgendwo abgeladen wird. Oder auch in der sozialen Frage, bei der bestimmte Begriffe, je nach Interessenlage, mit Assoziationen aufgeladen werden.

Der Sonntag als Energieräuber

Der Sonntag mit seiner langen Tradi­tion als einziger, weit­ge­hend arbeits­freier Tag der Woche wird seit längerem bereits vor allem von führenden Wirt­schafts­ver­tre­tern mit nega­tiven Attri­buten aufge­laden. Er sei der Toten­gräber der Innen­städte und des statio­nären Einzel­han­dels, weil er verhin­dere,  in Konkur­renz mit dem rund-um-die-Uhr- offenen Onlin­ege­schäft zu treten. Er zwänge die Leute zum Kauf­ver­zicht und bestimme, wann sie oder er einkaufen will. Die Wirt­schaft müsse — frei nach Marx — laufen und das unun­ter­bo­chen, ohne Rück­sicht auf das “Human­ka­pital”. Der Sonntag sei deshalb nichts anderes als pure Ideo­logie, von rück­wärts­ge­wandten Gewerk­schaft­lern, Kirchen­leuten und Sozi­al­ro­man­ti­kern mit juris­tisch-brachialer Gewalt durch­ge­drückt. Sogar SPD-Funk­tio­näre betonen inzwi­schen, dass selbst ein Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum Sonn­tags­schutz nicht in Stein gemei­ßelt sei. 

Wozu noch Traditionen?

Und natür­lich gibt es ein Bedürfnis auch der Bürger, am Sonntag einzu­kaufen, allein oder mit der Fami­lien bummeln zu gehen und die Genüsse des Konsums auszu­kosten. Während aber der Sonntag als Feiertag und der sonn­täg­liche Kirch­gang seine Deutungs­ho­heit bei den meisten verloren hat und viele auch den beiden großen Kirchen den Rücken kehren, bleiben andere bewährte Tradi­tionen, die mit dem Sonntag verknüpft sind, gleich­wohl weiter im kollek­tiven Gedächtnis haften — noch: Die Gemein­sam­keit, das bewußte Allein­sein, die Stille und Ruhe, das sich konzen­trieren (müssen) auf Wesent­li­ches, Zeit­sou­ve­rä­nität erleben, seinen Hobbys nach­gehen, Bilanz zu ziehen, was die vergan­gene Woche gebracht hat und Pläne zu schmieden für Neues. Auch der Online-Einkauf spielt am Sonntag zwei­fellos eine Rolle; niemand würde sich jedoch anmaßen zu behaupten, im online-shoppen liege das einzige, sonn­täg­liche Glück. Genau mit dieser neoli­be­ralen Eigen­schaft versu­chen führende Vertreter des Handels, den Sonntag jetzt aufzu­laden und kriti­sieren Befür­worter des freien Sonn­tags als Diktatoren. 

Tradi­tion heißt über­setzt: die Über­lie­fe­rung und Weiter­gabe von Über­zeu­gungen, Glau­bens­vor­stel­lungen und bewährten Hand­lungs­emp­feh­lungen. Gerade im Zuge der Nach­hal­tig­keits- und Acht­sam­keits­de­batte kommt Tradi­tionen eine neue, bedeu­tende Rolle zu: Freund­schaften pflegen, sich durch weniger Konsum der noch recht jungen und doch uralten Gewiss­heit zu erin­nern, Natur zu bewahren und respekt­voll mit ihren Ressourcen umzu­gehen, durch Zusam­men­künfte wie Feiern, Geburts­tage, Jubi­läen, dem Sonn­tags­brunch oder ‑kaffee das Gemein­same erleben und das Tren­nende auch als Berei­che­rung empfinden.  Kurzum: Zeit haben für andere und sich. 

Wenigs­tens ein bißchen?

Sind vier offene Sonn­tage im Jahr denn wirk­lich so schlimm, der Unter­gang des Abend­landes? Nein gar nicht! Prekär und nicht nur für am Sonntag Arbei­tende wird es dann, wenn der Konsum andere sonn­täg­liche Erleb­nisse subsiti­tu­ieren will und soll und wirk­lich lebens­wich­tige Bedürf­nisse, Rituale und Tradi­tionen verdrängt und verdrängen soll, die die Gesell­schaft im Kern seit Urzeiten zusam­men­halten. Was die großen Shop­ping-Center als Befür­worter einer unbe­grenzten Sonn­tags­öff­nung im Jahr unter sozialem Zusam­men­halt verstehen? “Erleb­nis­welten” schaffen, die die Konsu­menten so lange wie möglich in den Einkaufs­tem­peln halten, nach dem Motto: Ich — alles – gleich. Die einzige „Tradi­tion“, der die Wirt­schaft hier folgt, läßt sich mit einem Wort zusam­men­fassen: Mehr! 

Weniger oder mehr?

Uner­müd­lich fordern die Wirt­schafts­ver­bände von der Politik daher, mehr verkaufs­of­fene Sonn­tage, als die gesetz­lich schon jetzt zuzu­lassen, letz­tens in einer Befra­gung durch den Deut­schen Indus­trie- und Handels­kam­mertag. Die Unter­nehmen glauben zu wissen, daß der Konsu­ment oft als träge einge­schätzt wird, auf Tradi­tionen pfeift und es am liebsten „satt und sauber“ hat. Wirk­lich? Die Frei­gabe des Sonn­tags als Konsum- und Arbeitstag hätte gravie­rende nega­tive, gesell­schafts­po­li­ti­sche Auswir­kungen, dessen sind sich auch die aller­meisten Bürger weiter bewußt (“Endlich Wochen­ende!”). Demons­tra­tionen aufge­brachter Konsu­menten, den Sonntag „für alles zu öffnen“ sind bislang jeden­falls nicht bekannt. Denn: Ohne freien Sonntag gäbe es nie wieder ein freies Wochen­ende zum Aufladen.

Einkaufen immer und überall?

Was passierte am 7. November?

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