Darf´s ein bißchen mehr sein? 

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Nix kaufen!?

Warum der diesjährige 1. Advent auch auf einen Samstag fällt 

Besinnung oder Besinnungslosigkeit? Nach dem “Black Friday” folgt der nächste Kaufrausch: der “Cyber Monday”. Nur: was ist das Ziel des Ganzen?

Rabatte von bis zu 70% — wer kann da schon nein sagen — gerade jetzt wo alles teurer wird? Der “Black Friday”, der vor einigen Jahren aus den USA nach Europa impor­tiert wurde, ist für den Handel wie ein kleines Weih­nachten. Obwohl die Preis­er­sparnis für den Konsu­menten gerade einmal bei im Schnitt 4% liegt, gehen die Umsätze in die Milli­arden. Und wer den Hals immer noch nicht voll hat: Am kommenden Montag geht die Rabatt­schlacht mit dem “Cyber Monday” weiter, ein Tag, der von Online-Händ­lern erfunden wurde.

Kaufen als legale Droge

Dazwi­schen geht ein Tag fast unter, der “Kauf-nix-Tag” an diesem Samstag.  In´s Leben gerufen wurde er von dem Künstler und Konsum­kri­tiker Ted Dave 1992 im kana­di­schen Vancouver. Dave ruft am Buy-Nothing-Day dazu auf, für 24 Stunden nichts zu kaufen. Dieser frei­wil­lige Konsum­ver­zicht zählt zu den ersten und wich­tigsten Aktionen, die Sinn­haf­tig­keit des Konsums selbst kritisch zu hinter­fragen — und den Kapi­ta­lismus zumin­dest für ein paar Stunden links liegen zu lassen. “Alles in der Wirt­schaft ist darauf ange­legt, heute, jetzt, hier, sofort etwas zu kaufen. Ich war davon völlig erschöpft und dachte, viel­leicht ist es eine gute Idee, endlich einmal eine Shop­ping-Pause einzu­legen”, so Ted Dave.  Er suchte sich dafür den letzten Samstag im November aus, kurz nach Thanks­gi­ving (Ernte-Dank-Fest) und zugleich auch der Beginn der langen Einkaufs­wo­chen­enden für Weihnachten.

Der Kauf-nix-Tag verramscht die klas­si­sche Ökonomie

Doch geht Wirt­schaft und Leben ohne Wachstum — auch an diesem Samstag? Die klas­si­sche, ortho­doxe Ökonmie sagt ganz klar: Nein! Wirt­schafts­weise und Lobby­isten fordern gebets­müh­len­artig höhere Staats­aus­gaben für höheres Wachstum. Dabei werden uns die Grenzen des Wachs­tums längst aufge­zeigt: Im Klima­wandel und Arten­sterben. In der Rohstoff­ver­knap­pung. In der Verar­mung großer Bevöl­ke­rungs­schichten, während andere wenige immer reicher werden. In den Flücht­lings­be­we­gungen und Seuchen.

Nicht Verzicht aber verzichten

Dabei geht es in der Debatte nicht um Konsum­ver­zicht, sondern um weniger Produk­tion vom Falschen.  “Jeder, der glaubt, dass expo­nen­ti­elles Wachstum weiter­gehen kann in einer endli­chen Welt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom”, so der US-ameri­ka­ni­sche Wirt­schafts- und Sozi­al­wis­sen­schaftler Kenneth Edwart Boul­ding. Desun­ge­achtet singen die orth­doxen Ökonomen weiter das Hohe Lied des Kapi­ta­lismus, dessen Antriebs­motor in der Linde­rung von Symptomen besteht, denn in der Bekämp­fung von Ursa­chen. Gegen den Klima­wandel baut man Dämme und klima­re­sis­tente Gebäude, statt die Verbren­nung fossiler Ener­gien zu beschränken. Das Gesund­heits­wesen doktert an Schäden herum, statt den Präven­ti­ons­ge­danken zu stärken. Dafür ist nämlich kein Geld im System. Die Lebens­mit­tel­in­dus­trie schmeisst den Konsu­menten teure und völlig über­flüs­sige “High-Protein-Produkte” in den Rachen, statt weniger  schäd­liche Zusatz­stoffe, gefähr­liche Fette und verkeimtes Hormon­fleisch zu fabrizieren.

Geht Wachstum auch immateriell?

Meadows hat hier sogar eine Lösung: Wachstum heißt auch, Weiter­bil­dung, Lernen, sich zusam­men­schließen und etwas für sich und die Gemein­schaft errei­chen. Sobald Wachstum immer an die Vergeu­dung und Vernut­zung von Klima, Rohstoffen, Boden, Tieren etc. gekop­pelt ist, stößt es an Grenzen. So waren und sind es gerade nicht die Ökonomen, die das Modell des Teilens statt Kaufens und der Nach­hal­tig­keit entwi­ckelt haben, sondern die kriti­schen Geister in den Umwelt‑, Tier­schutz- und Sozi­al­be­we­gungen, den Gewerk­schaften und den Kirchen. Heute sind Car-Sharing-Initia­tiven ein Erfolgs­mo­dell. Second-Hand Läden und Online-Tausch­börsen für Klei­dung erleben gerade einen Boom. Mikro­gärten in der Stadt zur Selbst­ver­sor­gung kommen zu erster Blüte.

Was ist am verkaufsoffenen Sonntag denn so schlimm?

Weih­nachten ist das Fest der Geschenke, glaubt inzwi­schen der Groß­teil der Heran­wach­senden. Und weil der Kapi­ta­lismus sich nicht um Tradi­tionen schert, muß auch der Sonntag fallen! Schließ­lich sind auch in anderen Ländern wie den Nieder­landen oder Belgien die Läden sonn­tags geöffnet — alles in allem also eine aus der Zeit gefal­lene Regel, am Sonntag fest­zu­halten? Warum dann nicht auch die Schulen aufma­chen, die Betriebe, die Verwal­tung und und und? Wer den Sinn des Sonn­tags — den echten und ursprüng­li­chen Kauf-nix-Tag —  auf den  einge­schränkten Konsum verkürzt, der verhöhnt den Bürger und macht ihn eben nicht frei, sondern degra­diert ihn: zum Kapi­ta­lis­ten­knecht und Kaufvieh.

 

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Foto: Camilo Jimenez/Unsplash

Zum Nach­lesen, nach­hören und teilen:

Ich kauf nix!: Wie ich durch Shop­ping-Diät glück­lich wurde, von Nunu Kaller

Nichts kaufen, alles haben. In 7 Schritten zu einem konsum­freien, nach­hal­tigen und groß­zü­gigen Leben, von Liesl Clark und Rebecca Rockefeller

Gebraucht­bü­cher­börsen:

Medimops.de

Rebuy.de

antiquariat.de

ZVAB.de

Ausge­wählte Hörfunkbeiträge:

Mikro­gärten zur Selbstversorgung

Wie geht Gehen? — Ein Beitrag zur Gesundheitsprävention

Das Ende der Krei­de­zeit — Vom Verschwinden vertrauter Dinge

Von Jägern und Samm­lern — Rabatt­schlacht Cyberweek

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