Darf´s ein bißchen mehr sein?
Foto: Freestocks / Unsplash
Nix kaufen!?
Warum der diesjährige 1. Advent auch auf einen Samstag fällt
Besinnung oder Besinnungslosigkeit? Nach dem “Black Friday” folgt der nächste Kaufrausch: der “Cyber Monday”. Nur: was ist das Ziel des Ganzen?
Rabatte von bis zu 70% — wer kann da schon nein sagen — gerade jetzt wo alles teurer wird? Der “Black Friday”, der vor einigen Jahren aus den USA nach Europa importiert wurde, ist für den Handel wie ein kleines Weihnachten. Obwohl die Preisersparnis für den Konsumenten gerade einmal bei im Schnitt 4% liegt, gehen die Umsätze in die Milliarden. Und wer den Hals immer noch nicht voll hat: Am kommenden Montag geht die Rabattschlacht mit dem “Cyber Monday” weiter, ein Tag, der von Online-Händlern erfunden wurde.
Kaufen als legale Droge
Dazwischen geht ein Tag fast unter, der “Kauf-nix-Tag” an diesem Samstag. In´s Leben gerufen wurde er von dem Künstler und Konsumkritiker Ted Dave 1992 im kanadischen Vancouver. Dave ruft am Buy-Nothing-Day dazu auf, für 24 Stunden nichts zu kaufen. Dieser freiwillige Konsumverzicht zählt zu den ersten und wichtigsten Aktionen, die Sinnhaftigkeit des Konsums selbst kritisch zu hinterfragen — und den Kapitalismus zumindest für ein paar Stunden links liegen zu lassen. “Alles in der Wirtschaft ist darauf angelegt, heute, jetzt, hier, sofort etwas zu kaufen. Ich war davon völlig erschöpft und dachte, vielleicht ist es eine gute Idee, endlich einmal eine Shopping-Pause einzulegen”, so Ted Dave. Er suchte sich dafür den letzten Samstag im November aus, kurz nach Thanksgiving (Ernte-Dank-Fest) und zugleich auch der Beginn der langen Einkaufswochenenden für Weihnachten.
Der Kauf-nix-Tag verramscht die klassische Ökonomie
Doch geht Wirtschaft und Leben ohne Wachstum — auch an diesem Samstag? Die klassische, orthodoxe Ökonmie sagt ganz klar: Nein! Wirtschaftsweise und Lobbyisten fordern gebetsmühlenartig höhere Staatsausgaben für höheres Wachstum. Dabei werden uns die Grenzen des Wachstums längst aufgezeigt: Im Klimawandel und Artensterben. In der Rohstoffverknappung. In der Verarmung großer Bevölkerungsschichten, während andere wenige immer reicher werden. In den Flüchtlingsbewegungen und Seuchen.
Nicht Verzicht aber verzichten
Dabei geht es in der Debatte nicht um Konsumverzicht, sondern um weniger Produktion vom Falschen. “Jeder, der glaubt, dass exponentielles Wachstum weitergehen kann in einer endlichen Welt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom”, so der US-amerikanische Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Kenneth Edwart Boulding. Desungeachtet singen die orthdoxen Ökonomen weiter das Hohe Lied des Kapitalismus, dessen Antriebsmotor in der Linderung von Symptomen besteht, denn in der Bekämpfung von Ursachen. Gegen den Klimawandel baut man Dämme und klimaresistente Gebäude, statt die Verbrennung fossiler Energien zu beschränken. Das Gesundheitswesen doktert an Schäden herum, statt den Präventionsgedanken zu stärken. Dafür ist nämlich kein Geld im System. Die Lebensmittelindustrie schmeisst den Konsumenten teure und völlig überflüssige “High-Protein-Produkte” in den Rachen, statt weniger schädliche Zusatzstoffe, gefährliche Fette und verkeimtes Hormonfleisch zu fabrizieren.
Geht Wachstum auch immateriell?
Meadows hat hier sogar eine Lösung: Wachstum heißt auch, Weiterbildung, Lernen, sich zusammenschließen und etwas für sich und die Gemeinschaft erreichen. Sobald Wachstum immer an die Vergeudung und Vernutzung von Klima, Rohstoffen, Boden, Tieren etc. gekoppelt ist, stößt es an Grenzen. So waren und sind es gerade nicht die Ökonomen, die das Modell des Teilens statt Kaufens und der Nachhaltigkeit entwickelt haben, sondern die kritischen Geister in den Umwelt‑, Tierschutz- und Sozialbewegungen, den Gewerkschaften und den Kirchen. Heute sind Car-Sharing-Initiativen ein Erfolgsmodell. Second-Hand Läden und Online-Tauschbörsen für Kleidung erleben gerade einen Boom. Mikrogärten in der Stadt zur Selbstversorgung kommen zu erster Blüte.
Was ist am verkaufsoffenen Sonntag denn so schlimm?
Weihnachten ist das Fest der Geschenke, glaubt inzwischen der Großteil der Heranwachsenden. Und weil der Kapitalismus sich nicht um Traditionen schert, muß auch der Sonntag fallen! Schließlich sind auch in anderen Ländern wie den Niederlanden oder Belgien die Läden sonntags geöffnet — alles in allem also eine aus der Zeit gefallene Regel, am Sonntag festzuhalten? Warum dann nicht auch die Schulen aufmachen, die Betriebe, die Verwaltung und und und? Wer den Sinn des Sonntags — den echten und ursprünglichen Kauf-nix-Tag — auf den eingeschränkten Konsum verkürzt, der verhöhnt den Bürger und macht ihn eben nicht frei, sondern degradiert ihn: zum Kapitalistenknecht und Kaufvieh.
Kann auch mal leerbleiben!
Foto: Camilo Jimenez/Unsplash
Zum Nachlesen, nachhören und teilen:
Ich kauf nix!: Wie ich durch Shopping-Diät glücklich wurde, von Nunu Kaller
Nichts kaufen, alles haben. In 7 Schritten zu einem konsumfreien, nachhaltigen und großzügigen Leben, von Liesl Clark und Rebecca Rockefeller
Gebrauchtbücherbörsen:
Ausgewählte Hörfunkbeiträge:
Mikrogärten zur Selbstversorgung
Wie geht Gehen? — Ein Beitrag zur Gesundheitsprävention
Das Ende der Kreidezeit — Vom Verschwinden vertrauter Dinge
Weitere Beiträge und Nachrichten
Hier finden Sie Ihre Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bei Kirchen, Gewerkschaften und Verbänden.
Wir informieren Sie regelmäßig über Aktionen, Kampagnen und Meinungen zum Thema Sontagsschutz. Hier finden Sie unsere letzten Pressemeldungen sowie weiterführende Materialien zum Download.