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Spekulation!

Sonntag 5. Dezember 2021 — 2. Advent

Warum dieser Sonntag für mehr Bodenständigkeit sorgt

Heute ist der Welttag des Bodens — Zeit um einmal über den imma­te­ri­ellen Wert von öffent­li­chen Flächen in Innen­städten nachzudenken!

Grund und Boden sind vergiftet: durch Kunst­dünger und Plas­tik­ab­fall, Sonder­müll und saurem Regen. Darauf will der heutige Welt­bo­dentag aufmerksam machen. Niemand kann vorher­sagen, wie allein die synthe­ti­schen Mikro­par­tikel — auch aus den Millionen Tonnen von Verpa­ckungs­plastik des Online-Handels — das Boden­leben lang­fristig beeinflussen.

Gold­grube Innenstadt

Boden ist gleich­zeitig höchst begehrtes Speku­la­ti­ons­ob­jekt. In den Städten sind die Preise in den letzten Jahren explo­diert. 160.000 Euro in München, nicht für ein Appart­ment sondern für einen Quadrat­meter. Ähnliche Entwick­lungen gibt es in Berlin und anderen auch klei­neren Städten. Lange, zu lange haben sich Stadt­räte und Verwal­tungen darauf verlassen, dass auch in den Einkaufs­strassen die Miet- und Kauf­preise für Läden weiter in den Himmel wachsen und gleich­zeitig für satte Gewer­be­steuern sorgen. Nun jedoch stehen sie vor den Scherben ihrer “Stand­ort­po­litik”, die längst zum Steh­punkt verküm­merte, rufen verzwei­felt nach einer Auswei­tung der Laden­öff­nungs­zeiten oder versu­chen mit Taschen­spie­ler­tricks, Anlass­be­züge für Sonn­tags­ver­käufe herbei­zu­zau­bern. Denn mehr und mehr vor allem mittel­stän­di­sche Geschäfte gehen im Wett­be­werb auch ange­sichts horrender Mieten leer aus. Selbst die IHK´s spre­chen von einer gesunden Schrumpfkur in den Stadt­zen­tren, Einkaufs­strassen wie man sie kennt, werde es in Zukunft so nicht mehr geben. Nur die Verwal­tungen und Stadt­ver­ord­neten halten weiter krampf­haft und commode an “bewährten” Vermark­tungs­kon­zepten fest. Ihnen fehlt die Phan­tasie, Krea­ti­vität, Mut  — und der ökono­mi­sche Druck.

Warum verän­dern?

So fühlte sich auch die Bonner Stadt­ver­wal­tung nicht einmal bemü­ßigt, vom Land bereit­ge­stellte Mittel gegen Leer­stände in der Innen­stadt abzu­rufen. Der örtliche Einzel­han­dels­ver­band empörte sich, dass Schand­fle­cken, sprich seit langem leer­ste­hende Laden­lo­kale, nicht revi­ta­li­siert werden — mit Zuschüssen zu den Laden­mieten oder gar krea­tiven Konzepten wie Kultur­cafés oder Bürger­treff­punkte. Man wolle nicht in den Immo­bi­li­en­markt eingreifen, echauf­fiert sich die Bonner Stadt­bü­ro­kratie — und läßt die Läden weiter leer stehen.

In Reck­ling­hausen, dessen Innen­stadt und vor allem die Breite Strasse zu einer Ansamm­lung von Bret­ter­ver­schlägen und verstaubten Schau­fens­ter­scheiben (Leer­stände ohne Ende) verkommen ist und die von der Verwal­tung notdürtig mit Plas­tik­planen kaschiert werden, hätte es eine andere Chance gegeben: Ein lange leer­ste­hendes Kino, das Studio 63, wäre ein ganz ausge­zeich­neter Ort für eine Kultur­bühne, Veran­stal­tungs­saal, Treff­punkt für die Bürger gewesen, die nach 18.00 Uhr der toten Innen­stadt neues Leben einge­haucht hätten. Hätten! Konzepte renom­mierter Archi­tekten lagen der Stadt­ver­wal­tung zwar vor — das Haus wurde jedoch an eine Private Equity Gesell­schaft verscher­belt, die nur Inter­esse an maxi­maler Rendite hat, nicht aber an Daseins­vor­sorge. Nicht viel besser sieht es im benach­barten Oer-Erken­sch­wick aus: nur noch wenige tapfere kleine Einzel­händler halten die Stel­lung, die City besteht aus Aldi, Kauf­land, Kik und einer seit gefühlten Jahr­zehnten leer­ste­henden, völlig herun­ter­ge­kom­menen Kauf­haus­ruine. Den seit Jahren verspro­chenen City-Manager, der Leer­stände bekämpfen soll, sucht man bis heute verge­bens. Auf der Inter­net­seite der Stadt heißt es dazu: “Diese Infor­ma­tionen stehen vorueber­ge­hend nicht zur Verfue­gung, bitte versu­chen Sie es spaeter noch einmal.”

Der Sonn­tags­ver­kauf  als Notnagel für Untätigkeit

Konzepte für moderne, bürger­nahe und leben­dige Innen­städte liegen längst vor, Städte wie Bochum oder Dormund zeigen, wohin die Reise gehen könnte. Auch brach­lie­gende Flächen in der Stadt böten die Chance für einen Neuan­fang. Tübingen greift hier zu unkon­ven­tio­nellen Mitteln, macht der Verwal­tung zwar Arbeit, ist gleich­wohl wirksam:  Die etwa 240 brach­lie­genden Grund­stücke in der Stadt sollen von den Eigen­tü­mern entweder bebaut oder an bauwil­lige Personen verkauft werden. Tübingen orien­tiert sich dabei am soge­nannten „Ulmer Modell“. Die Stadt Ulm betei­ligt sich nicht am Preis-Wahn­sinn des Boden-Marktes. Die Stadt vergibt erst gar kein Baurecht an speku­la­ti­ons­wil­lige Inves­toren und vergibt eigene Grund­stücke stets nur mit einem Wieder­kaufs­recht. Wer inner­halb von drei Jahren nicht baut, muss sein Grund­stück an die Stadt zurück­ver­kaufen – zum glei­chen Preis.

 

 

 

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